Scham

von Frauke Martini

 

Ich zeige Dir

meine Scham.

 

Ich schäme mich

für meine Scham.

 

Darum habe ich sie

in meinen tiefsten Eingeweiden vergraben.

Scham braucht Dunkelheit.

 

Von dort aus

wirkt sie so

wie ich es ihr befohlen habe:

Sie hält mich klein.

 

Ich denke klein.

Ich fühle klein.

Ich handle klein.

Ich bin klein.

 

Aber heute, jetzt

buddle ich sie aus

und zeige sie Dir.

 

Schau,

ich schäme mich.

Ich schäme mich dafür

was ich denke, was ich sage, was ich tue.

Ich mache das

und schäme mich dafür.

Bin ich nicht verrückt?“

 

Ich werde rot

und kichere.

Ich habe mich selbst

entblößt.

 

Nun kann sich die Scham nicht mehr halten.

Sie wurde beleuchtet.

Wo Schatten war, ist Licht.

Sie wurde entblößt

und als Nichts erkannt.

 

Was aussah

wie ein dunkler Vorhang,

wie eine unumstößliche, hohe Mauer

löst sich auf

in Leichtigkeit.

 

Nun wird sichtbar, was verdeckt war:

Das Licht, das ich bin.