Der Fluss
von Frauke Martini
Ich lasse mich treiben
vom Fluss des Lebens.
Ich werde getragen
von der Kraft des Wassers
während kleine Wellen
mich sanft auf und ab schaukeln.
Ich treibe vorbei
an groben Felsblöcken
die dem Wasser noch stand halten.
Teilweise sehe ich Figuren
die sich verzweifelt und angstvoll
an die Felsen klammern
bis ihnen die Kraft ausgeht
und sie sich wieder
der Kraft des Wassers hingeben.
Am Ufer erkenne ich
Ruinen von Häusern,
einige klein und bescheiden,
viele groß und protzig
schief im Wasser hängend,
dem Untergang geweiht,
denn ihr Fundament
war auf Sand gebaut.
Ich treibe vorbei
an sinkenden Schiffen
die titanicgleich sicher
dem Untergang geweiht
den Sinn ihres Seins
nun erfüllen.
Ich erkenne sie wieder:
Ich habe sie gebaut
in der sinnlosen Hoffnung
von der Liebe getrennt
zu halten was ist.
Ich winke ihnen fröhlich nach
während sie in den Fluten versinken
und ich leicht und frei
weiter getragen werde.
Die Strömung wird stärker.
Ein anschwellendes Rauschen
kündigt den nahenden Wasserfall an.
Ich puste noch etwas Liebe
in meinen Rettungsring aus Vertrauen
schließe die Augen
und kreische lustvoll
das Kitzeln im Magen genießend
wenn es unerwartet
bergab geht
und mich der Lebensstrudel
erfasst und um mich selber wirbelt.
Ein Schwall Wasser
fliegt mir ins Gesicht.
Ich verliere das Gleichgewicht
und werde eine Zeit lang
unter Wasser gezogen
um dann prustend und lachend
wieder aufzutauchen
in der glücklichen Erkenntnis
dass mich dieser Wasserfall
ein großes Stück voran gebracht hat
auf meinem Weg
zum Meer
nach Hause.
Nun wird es wieder ruhiger,
sanft gleite ich dahin,
die Sonne wärmt meine gebräunte Haut.
Ich genieße das dichte Grün
der Uferböschung
aus dem mir
trollähnliche Erdwesen
zuwinken
und meinen Weg segnen.
Vorne erkenne ich
dass mein Fluss
mit Deinem zusammen fließt
um breiter und immer breiter zu werden
um gemeinsam die Erde zu reinigen
und zu erleuchten.
Ich genieße
und danke für jeden Atemzug
dieses wundervollen Seins.